Kompass AntiRa-Newsletter Nr. 70, Juni 2018

 

Aufruf für We`ll Come United Parade am 29.9. in Hamburg +++ 6.-8. Juni in Halle und Quedlinburg: JoG gegen IMK +++ 7.-15.6. in Berlin: Protestaktionen gegen das neue Gesetz zur Aussetzung des Familiennachzugs +++ 22. Juni 2018 in Nürnberg: Bildung statt Abschiebung …Schulstreik!; +++ 30.6. in Hamburg: 5 Jahre Lampedusa in Hamburg +++ 5.-8. Juli in Brandenburg: Summercamp von We`ll Come United; +++ Bulgarien: Free the Harmanli 21 +++ Zentrales Mittelmeer: Sea Watch Klage gegen Italien +++ Westliches Mittelmeer: fast 11.000 Ankünfte bis Juni 2018 +++ Rückblick: Konferenz für eine große Koalition des Antirassismus +++ Ausblicke: 29.9. in Hamburg: große We`ll Come United Parade; Transnational Social Strike Treffen im November 2018 in Stockholm

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Gegen Abschiebung, Ausgrenzung und rechte Hetze - für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für Alle! Der 29. September 2018 ist schon jetzt der schönste Tag des Jahres. Er wird unser Tag. Wir sind viele, wir sind verschieden und wir kämpfen jeden Tag vor unserer Haustür. Im September kommen wir alle zusammen. Wir kommen nach Hamburg, mit Autos, Zügen und Bussen. Aus Dörfern und Städten, aus Lagern und Camps, von Willkommensinitiativen und Hilfsorganisationen, von Baustellen, Schulen und Unis. Mit Lautsprecherwägen, Performances, Texten, Musik und Karneval verjagen wir die Kälte, den Rassismus, die Herzlosigkeit aus den Straßen der Stadt. Gemeinsam zeichnen wir ein Bild auf der Straße: das Bild unserer Freundschaft, das Bild eines solidarischen, vielfältigen und angstfreien Lebens. Wenn wir uns bewegen, bewegt sich die Welt!“

So beginnt der Aufruf zu We`ll Come United 2018. Über 200 Gruppen und Netzwerke stehen auf der Liste der ErstunterzeichnerInnen und weitere UnterstützerInnen werden gesucht. Die Demonstrationsroute zwischen St. Pauli und Hafenviertel ist bereits angemeldet, in den lokalen Medien war es sogleich ein Thema. In der Konferenz Mitte Mai in Göttingen - mit über 300 TeilnehmerInnen „für eine große Koalition des Antirassismus“ - war die Hamburger Parade ebenfalls die bestimmende Mobilisierung. Ein „Summercamp“ in Brandenburg Anfang Juli dient als nächster Treffpunkt, während die ersten Busse schon gebucht sind. Und wer Material sucht oder lokale Veranstaltungen plant, kann sich beim neu eröffneten Swarming-Office melden.

Zeitgleich mit dem Erscheinen dieses Newsletters protestiert Jugendliche ohne Grenzen zur Innenministerkonferenz in Halle und ein Initiativenbündnis gegen das neue Gesetz zur Aussetzung des Familiennachzugs in Berlin. An allen Ecken und Enden in Germany und quer durch Europa tobt der Anti-Abschiebekampf - gegen „Dublin“ und gegen Abschiebungen nach Afghanistan, Pakistan oder in afrikanische Länder. Tausende haben es in den letzten Monaten über die türkisch-griechische Landgrenze geschafft und sind weiter nach Norden unterwegs. Viele versuchen es über die „neue Balkan-Küstenroute“ via Bosnien, kampieren zu Hunderten in Sarajevo oder Bihar in Parks und sind an der kroatischen Grenze einmal mehr mit illegalen Push-Back Praktiken der EU-Grenzpolizei konfrontiert. Auch wenn die Gesamtzahl der Mittelmeerüberquerungen im Vergleich zu den letzten Jahren stark abgenommen hat, sind es doch jeweils über 10.000 Menschen, die in den ersten fünf Monaten des Jahres jeweils über die drei wichtigen Routen an Europas Küsten angelandet sind. Auffällig ist, dass erstmals zwischen Marokko und Spanien fast genau so viele Menschen durchgekommen sind wie in der Ägäis oder im zentralen Mittelmeer. Aktuell sind jeden Tag „Bozas“ - erfolgreiche Ankünfte bzw. Rettungen nach Spanien - zu verzeichnen, häufig in sehr kleinen Plastikbooten und mit Paddeln, mit denen die Menschen, denen alle anderen Wege versperrt bleiben, unter Einsatz ihres Lebens die Strasse von Gibraltar zu überwinden versuchen. Unlängst wurde eine sehr anschauliche Graphik zur weltweiten Entwicklung von Grenzzäunen und -mauern veröffentlicht. Waren es zum Ende des zweiten Weltkrieges nur sieben und 1989 beim Fall der Berliner Mauer noch 15 Grenzwälle, ist die Anzahl bis 2018 sprunghaft auf 77 angestiegen, insbesondere in und um Europa. Das massenhafte Sterben auf See sowie die unzähligen Menschenrechtsverletzungen an den vielen unsichtbaren - äußeren und inneren - Grenzen der EU sind damit noch gar nicht erfasst. Tod und Leid sind die kalkulierten, grausamen Abschreckungsparameter eines rassistischen Grenzregime, das immer schon Ausgrenzung mit Ausbeutung kombiniert. Noborder last forever! Keine Grenze ist für immer. Und wir werden keine Ruhe geben, bis alle Grenzen fallen.

Ende Mai fand in Palermo ein bemerkenswertes Zusammenkommen statt. Gemeinsam mit Leoluca Orlando, dem Bürgermeister der sizilianischen Hauptstadt und überzeugtem Anhänger des universellen Rechts auf Mobilität, hatte das Alarm Phone zu einem zweitägigen Arbeitstreffen eingeladen. Beteiligt waren neben Seenotrettungsorganisationen auch Aktive entlang der Fluchtrouten sowie aus den Ankunftsstädten, darunter die für Migration verantwortliche Dezernentin aus Barcelona. Der Ansatz: einen in lokaler Praxis verankerten Gegenpol zu den national bis supranational verschärften Ausgrenzungspolitiken aufzubauen, gemeinsam getragen von progressiven Stadtverwaltungen und Akteuren der Zivilgesellschaft im Sinne der Charta von Palermo. Die Idee: Praktiken zu sicheren Häfen, sicherem Transit und der würdigen Aufnahme in die Stadtgesellschaften auszutauschen und weiterzuentwickeln. Das Ziel: Transnationale Korridore solidarischer Räume und des Ungehorsams gegen das Unrecht des Grenzregime einzurichten. Das Treffen verlief vielversprechend und könnte schon bald - von Palermo bis Hamburg - als neuer Knoten im Netzwerk für den Kampf um Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für Alle agieren.

Das Kompass-Team