Kompass-newsletter Nr. 108 - 10/2022

 

30.9./1.10: in Brüssel: Marsch für „Rights, no Death!“  +++ 1.10. in Berlin: Bleiberecht statt Abschiebeknast - Protest gegen Abschiebezentrum BERlin +++ 1.-3.10. in Frankfurt: Symposium zu Kosmopolitismus von unten – Annäherungen an globale Demokratie +++ Ab 6.10. in vielen Städten: Infotour with Activists on the struggles at the Polish-Belarussian Border +++ 15.10. in Berlin, Brussels, Madrid…(?): Stop Italy-Libya Memorandum +++ Ab 4.11. in Berlin: Ausstellung „Three Doors“ zu Dessau und Hanau +++ 4.-6.11. in Köln: Bundestreffen zu Kirchenasyl +++ CommemorAction in Zarzis - Statements gegen Cochetel +++ Central Med: Echoes No.2 - Missing at the EU Border +++ Free El Hiblu 3 - Offener Brief an den Generalstaatsanwalt +++ Western Med and Atlantic: The criminalisation of people on the move +++  Ägäis/Evros Region: „A dilemma between unbelievable violence and death“ +++  Rückblick: Späte Gerechtigkeit für die Überlebenden von Farmakonisi +++ Ausblick: 9./10.12 in Genf: Aktionstage vor dem UNHCR

Liebe Freundinnen und Freunde,

über 100 Teilnehmer:innen - darunter insbesondere Mütter, Väter und Geschwister von Verschwundenen und Ertrunkenen aus Tunesien, Algerien, Marokko und dem Senegal - sind Anfang September zur zentralen CommemorAction im tunesischen Zarzis zusammengekommen. Mehreren beeindruckenden Versammlungen, u.a. mit einer Solidaritätserklärung der Fischer von Zarzis, folgte eine lautstarke Demonstration durch die Stadt mit anschließenden Gedenkaktionen am Strand und auf zwei Fischerbooten. "Echoes from the Central Med“, die neue Publikation der zivilen Rettungskoordination (CivilMRCC), widmet ihre zweite Ausgabe diesem Kampf der Angehörigen und thematisiert ihn als „neue anti-neokoloniale Stimme im Kampf um globale soziale Gerechtigkeit". 

Angesichts der Proteste der Familien gegen das EU-Grenz- und Visa-Regime sah sich der Sondergesandte des UNHCR für das westliche und zentrale Mittelmeer, Vincent Cochetel, veranlasst, einen Tweet abzusetzen, in dem er - in klassischer Täter-Opfer-Umkehr - die Mütter für das Sterben ihrer Kinder verantwortlich macht und sogar ihre „symbolische Verfolgung“ und Kriminalisierung einfordert. Zwar muss er nach vielfachen empörten Reaktionen zurückrudern und der UNHCR entschuldigt sich bei den Familien, doch der Vorfall wirft ein - weiteres - Licht auf die unglaublichen Zustände und das Personal innerhalb des UN-Flüchtlingskommissariats.

Passend dazu, allerdings mit dem Fokus auf die Kämpfe der https://www.refugeesinlibya.org sind für den 9. und 10. Dezember 2022 - zum internationalen Tag der Menschenrechte - zwei Aktionstage mit Sit-In-Protest und Demonstration in Genf in Vorbereitung. Unter dem Motto „From Tripoli to Geneva - Amplify the Voices of Refugees in Libya!“ soll das Hauptquartier des UNHCR für mindestens 24 Stunden belagert und beschallt werden.

Vor einem Jahr, am 2. Oktober 2021, startete der selbstorganisierte Massenprotest der Geflüchteten in Libyen, dessen Forderungen nichts an ihrer Dringlichkeit verloren haben. Sie werden auch bei den Kundgebungen gegen die Verlängerung des italienisch-libyschen Memorandums, die am 15. Oktober in mehreren Städten stattfinden, im Mittelpunkt stehen.

Nachdem sich die Umfragen in den Wahlen in Italien weitgehend bestätigt haben und dort in Kürze eine rechtsextreme Regierung die Macht übernehmen wird, dürfte klar sein, dass alle noch verbliebenen Verhandlungsspielräume mit Rom in Sachen Migration und Seenotrettung auf Null gestellt sind. Vielmehr muss in den kommenden Monaten mit Angriffen aller Art auf die antirassistischen Bewegungen in Italien im Allgemeinen und auf die zivile Rettungsflotte im Besonderen gerechnet werden. 

Am Tag der Wahlergebnisse hat Sea Watch ihr neues und bislang größtes Rettungsschiff - die Sea Watch 5 - präsentiert. Mit SOS Humanity sowie der italienischen Gesundheitsorganisation Emergency hat sich die zivile Flotte nochmals um zwei Schiffe und Akteure verstärkt. Das Zusammenwirken bei Rettungen im zentralen Mittelmeer mit der Hotline Alarm Phone, mit drei Kleinflugzeugen und den zahlreichen großen und kleinen Rettungsschiffen hat sich im Sommer 2022 in neuer Dimension verstetigt. Sie alle stehen nun angesichts der absehbaren Eskalation an der EU-Südgrenze vor neuen Herausforderungen. 

Freund:innen der italienischen Organisation Mediterranea haben bereits vor den Wahlen darauf hingewiesen: es wird zu einer neuen Polarisierung in Italien kommen, die aber auch die Chance einer Re-Politisierung des demokratischen Spektrums beinhaltet und damit mittelfristig sogar die Stärkung der linken, menschenrechtlichen Kräfte bewirken könnte. Umso wichtiger sei der kontinuierliche Ausbau der Infrastrukturen „from the sea to the cities“ sowie deren gemeinsame Koordination und Kooperation.

In diesem Sinne und mit dieser Hoffnung!

Die Kompass-Crew